29. April 2025

Ein Gespräch mit Katja Katic

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„Eine der größten Herausforderungen ist die Balance zwischen Nähe und Distanz sowie zwischen gesetzlicher Vorgabe und Menschlichkeit.“

Katja Katic ist seit 2022 als Besuchskoordinatorin in der JVA Rockenberg tätig. Im Vollzug arbeitet sie schon seit 1995.

Jeder Inhaftierte darf im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten Besuche empfangen. Die Besuchszeit pro Monat beträgt in der Regel 4 Stunden. Die Besuchszeit pro Besuchstermin beträgt grundsätzlich 60 Minuten.

Rockenberg-Verein: Als ich Sie das erste Mal sah, strömten Sie eine ungeheure Begeisterung für Ihren Beruf aus. Was genau begeistert Sie?

Katja Katic: Es freut mich zu hören, dass Sie das wahrgenommen haben. Die Arbeit in der Besuchsabteilung bereitet mir Freude und kommt meinem Naturell entgegen. Ich kommuniziere gerne, bin gerne mit Menschen zusammen und hinterfrage Dinge. All das ist mir wichtig, weil ich mitgestalten und Ideen eigenverantwortlich verwirklichen kann. Die Besuchsabteilung ist ja nicht nur das Bindeglied zwischen der Anstalt und der Außenwelt, sondern auch ein Aushängeschild. Es ist stellenweise eine Gratwanderung und erfordert einiges an Feingefühl, Sicherheit und Ordnung in unserer Anstalt mit dem respektvollen Umgang zu den Besuchern in Einklang zu bringen.

Rockenberg-Verein: Wie sind Sie dazu gekommen?

Katja Katic: Ich arbeitete damals an der Pforte und in der Zentrale und wusste sofort, dass die Stelle genau das Richtige für mich ist – eine Chance, wirklich etwas zu bewirken. Ohne lange zu überlegen, bewarb ich mich. Mein Chef sagte spontan zu. Er erkannte auch, dass es passen würde. Für diesen Job zählen nicht nur Fleiß und Erfahrung, sondern auch Empathie und innere Ausgeglichenheit. Übrigens, mein Mann ist hier als Ausbildungsmeister tätig und hatte lange zuvor den Arxhof in der Schweiz besucht, ein Maßnahmenzentrum für junge Straffällige ohne Mauern und Stacheldraht. Von dem Besuch tief beeindruckt regte er damals schon an, dass die Besucherräumlichkeiten in Rockenberg viel mehr als Ort der Begegnung gestaltet werden könnten, um eine Atmosphäre der Begegnung und des Vertrauens zu schaffen. Das hatte ich immer im Hinterkopf.

Rockenberg-Verein: Warum sind Besuche so wichtig während der Haftstrafe?

Katja Katic: Besuche sind ein zentraler Bestandteil der Resozialisierung und werden von der Anstalt ausdrücklich unterstützt. Der Kontakt zur Familie und den Angehörigen gibt den Gefangenen emotionale Bestätigung, die sie außerhalb oft nicht erhalten haben. Die Familie motiviert die Jugendlichen, ihre Möglichkeiten in der Anstalt zu nutzen, sei es durch Schul- oder Berufsausbildung, um ihre Zukunft aktiv zu gestalten. Besuche fördern aber auch die Selbstreflexion, nicht nur bei den Gefangenen, sondern auch bei den Eltern.

Rockenberg-Verein: Wie oft haben die Jugendlichen Anrecht auf Besuch und wie wird das Angebot von den Jugendlichen wahrgenommen?

Katja Katic: Die Jugendlichen haben einen gesetzlichen Anspruch auf vier Stunden Besuch pro Monat. In der Untersuchungshaft kann der Richter die Besuchszeit jedoch einschränken, in manchen Fällen auf 30 Minuten. Besuche dauern in der Regel eine Stunde und können vor Ort oder per Video stattfinden. Den Antrag für den Besuch muss immer der Jugendliche stellen. Er entscheidet über die Form, ob Präsenzbesuch oder Videobesuch. Im März zum Beispiel erhielten nur 64 von 145 Jugendlichen Besuch. Unter den Jugendlichen sind rund 40 Untersuchungsgefangene. Jugendliche Geflüchtete, die hier in Haft sind, haben oft leider kaum die Möglichkeit, Besuch zu empfangen, außer vom Jugendamt oder der Jugendgerichtshilfe. Wenn ich wahrnehme, dass sich der Besuch positiv auf den Jugendlichen auswirkt, der Richter die Besuchszeit jedoch beschränkt hat, dann setze ich mich dafür ein, die Besuchszeit zu verlängern. Ich habe einen guten Kontakt zu Staatsanwälten und Richtern, das ist wichtig.

Rockenberg-Verein: Welche Gedanken machen Sie sich bei der Vorbereitung und wie läuft ein solcher Besuch in der Regel ab?

Katja Katic: Es gibt einiges zu berücksichtigen. Wir müssen zum Beispiel beachten, ob es sich um Untersuchungshaft handelt und der Besuch akustisch oder optisch überwacht werden muss. Bei der akustischen Überwachung muss der Besuch in einem separaten Raum stattfinden, gegebenenfalls auch mit einem vereidigten Dolmetscher. Kommen vermehrt positive Urinkontrollen vor, kann Trennscheibenbesuch angeordnet werden. Der Spürhund kommt stichprobenartig vorbei. Da muss man schon mal die Besucher beruhigen. In manchen Fällen benötigen Jugendliche einen Einzelraum, etwa wenn sie auffällig sind oder einen Todesfall in der Familie haben. Danach stellen wir auch psychologische Betreuung sicher. Bei Besuchen mit Kleinkindern oder Säuglingen stellen wir Malstifte, stilles Wasser oder Tee bereit. Wenn möglich begrüße ich gerne jeden persönlich, um die Stimmung zu erfassen. Wenn ich merke, die Stimmung ist angespannt, verändere ich die Sitzordnung, um bei Bedarf einzugreifen.

Rockenberg-Verein: Wie wirken sich die Besuche auf die Jugendlichen aus?

Katja Katic: Ich würde sagen zu 90 Prozent positiv, denn durch die Besuche können sie Eltern und Freunden in einem neutralen Umfeld begegnen und Beziehungen stärken. Das kann ihnen helfen, ihre Zukunft mit mehr Perspektive zu betrachten und besser vorbereitet entlassen zu werden. Gleichzeitig führen die Besuche oft zu einer intensiven Reflexion über die eigene Tat und deren Auswirkungen auf die Familie. Gefühle wie Traurigkeit, Hilflosigkeit und das Bewusstsein, nicht am Familienleben teilnehmen zu können oder als Vater zu versagen, sind häufige Begleiterscheinungen. Da kann die eigene Ohnmacht auch schonmal in Wut und Aggressionen gegenüber Bediensteten oder Mitgefangenen umschlagen. Ich würde sagen, impulsives Verhalten hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen – sei es durch Drogenkonsum, Fluchterfahrungen, keine Achtung vor dem Rechtsstaat oder fehlende moralische Werte.

Rockenberg-Verein: Was sind die größten Herausforderungen, mit denen Sie zu kämpfen haben?

Katja Katic: Ich würde sagen, trotz negativer Erfahrungen nie den Optimismus zu verlieren, das ist das Wichtigste. Persönlich kann meine offene und ehrliche Art sehr hartnäckig und für Kollegen manchmal herausfordernd sein. Da muss ich aufpassen, die eigenen Anspruch nicht auf andere zu projizieren Eine der größten Herausforderungen ist die Balance zwischen Nähe und Distanz sowie zwischen gesetzlicher Vorgabe und Menschlichkeit. Es ist wichtig, ein gutes Vorbild für die Jugendlichen zu sein, ihnen Struktur zu geben und nichts zu versprechen, was ich nicht einhalten kann. Und ganz besonders am Herzen liegt mir die geschützte Atmosphäre in den Besuchsräumlichkeiten, denn nur sie ermöglicht echte Begegnungen.

Rockenberg-Verein: Und was beglückt Sie immer wieder?

Katja Katic: Mich beglückt besonders der Respekt und die Dankbarkeit, die mir von Jugendlichen und ihren Angehörigen entgegengebracht werden – sei es ein herzliches Schulterklopfen einer Mutter oder ein dankbarer Brief einer Großmutter. Es erfüllt mich einfach, einen persönlichen Zugang zu den Jugendlichen zu entwickeln und ihre Entwicklung zu begleiten. Diese Wertschätzung bestärkt mich immer wieder in meiner Arbeit.

Das Interview führte Irmgard Thießen.